Was hat Sie motiviert, sich für die Parkinson Stiftung zu engagieren?
Morbus Parkinson ist ein sehr komplexes Krankheitsbild, das mit einer Vielzahl von Störungen der Bewegung, des vegetativen Nervensystems und der Psyche einhergehen kann. Neben der medizinischen Therapie ist die Verbesserung der Versorgung der Betroffenen durch multidisziplinäre Netzwerke dringend geboten. In diesem Kontext sind es insbesondere die aktivierenden Therapien, die den Betroffenen eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit vermitteln und möglicherweise auch den Krankheitsverlauf maßgeblich beeinflussen können. Ich bin überzeugt, dass die Parkinson Stiftung dazu beitragen kann, den Dialog zwischen den Betroffenen und den verschiedenen an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen zu intensivieren. Wichtig ist auch eine Forderung von Forschungsinitiativen zu nicht-medikamentösen Therapien, da diese im Gegensatz zum pharmakologischen Forschungsprojekten oft unterfinanziert sind.
Warum halten Sie die Parkinson Stiftung für wichtig?
Die Parkinson Stiftung bietet ein Forum sowohl für das Expertenwissen klinisch tätiger und forschender Neurologen als auch für die Anliegen der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Auf dieser Basis können Initiativen und Projekte zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie vorangebracht und der Dialog zwischen Betroffenen und Medizinern gefördert werden.
Was reizt Sie persönlich an der Erforschung der Parkinson-Krankheit?
Beim Morbus Parkinson handelt es sich um ein enorm vielschichtiges Krankheitsbild, dass fast alle Facetten des menschlichen Daseins betrifft. Eine Besonderheit der Parkinson-Krankheit ist, dass das Wechselspiel zwischen Biologie und Psyche sehr deutlich wird, zum Beispiel durch die drastischen Veränderungen der Stimmung und des Verhaltens, die mit dem Mangel bzw. Ersatz des Botenstoffs Dopamin einhergehen. Ebenso faszinierend sind die teilweise unerwarteten Möglichkeiten der Betroffenen, den Symptomen der Erkrankung selbst entgegenzutreten, zum Beispiel durch die Anwendung von Techniken zur Überwindung von Bewegungsblockaden. Trotz jahrzehntelanger Forschung auf diesem Gebiet, ergeben sich immer wieder neue, ungeklärte Fragen, die mich als klinisch tätigen Neurologen faszinieren und bewegen. Die Forschung zur symptomatischen medizinischen Therapie mittels Pharmaka und tiefer Hirnstimulation hat ungemein beeindruckende Ergebnisse mit sich gebracht. Aktuell deutet vieles darauf hin, dass wir uns einer neuen Epoche in der Parkinson-Therapie nähern, in der auch die Beeinflussung des Krankheitsprozesses möglich sein wird. Diese Entwicklungen zu begleiten und mitzugestalten ist ein großes Privileg und gleichzeitig eine große Herausforderung, der ich mich gerne stelle.
Was war ihr persönlich wichtigster Beitrag in der Erforschung der Erkrankung?
2010 konnten wir mit Unterstützung der deutschen Parkinson-Vereinigung die kontrollierte "Berliner BIG-Studie" durchführen, bei der gezeigt wurde, dass ein in der USA entwickeltes Trainingsprogramm für Parkinson-Patienten (LSVT-BIG) nachhaltige und alltagsrelevante Verbesserungen der Beweglichkeit von Parkinson-Patienten bewirkt. LSVT-BIG beinhaltet ein intensives Training von Bewegungen mit großer Amplitude und wird international nach einheitlichen Prinzipien durchgeführt. Mittlerweile wird LSVT-BIG auch in Deutschland von zahlreichen Therapeuten angeboten.
Was sollte sich zukünftig in der Behandlung der Parkinson-Krankheit ändern?
Ausgehend von den derzeit zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ist es sicher notwendig, nicht-medikamentöse Verfahren („aktivierende Therapien“) stärkeres Gewicht zu geben. Hierzu sind einerseits verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen, spezifisch ausgebildetes Personal und intensivere Aufklärung der Betroffenen notwendig. Andererseits müssen aber auch multidisziplinäre Versorgungsstrukturen entwickelt werden, die den Betroffenen einen unkomplizierten Zugang ermöglichen. Bezüglich der medikamentösen Therapie ist zu hoffen, dass wir uns auf kurative oder zumindest den Krankheitsverlauf beeinflussende Therapieoptionen zubewegen.
Welchen Rat möchten Sie jungen Ärzten und Wissenschaftlern geben?
Parkinson erfordert durch die Vielschichtigkeit der Symptome und die Komplexität des Krankheitsverlaufs eine ganzheitliche Herangehensweise. Der Umgang mit Menschen mit Parkinson setzt viel Geduld, Gründlichkeit, Einfühlungsvermögen und Respekt voraus. Gerade in Zeiten einer sehr auf Zeitersparnis und Effizienz ausgerichteten Medizin bietet sich für Mediziner damit die Möglichkeit (und Herausforderung) einer entschleunigten Herangehensweise, die sowohl für den Betroffenen als auch für den Behandler sehr bereichernd sein kann. Wer als klinisch tätiger Mediziner mit offenen Augen und Ohren mit Parkinson-Patienten arbeitet, wird zwangsläufig auch auf interessante und ungeklärte Fragestellungen stoßen, die auf eine wissenschaftliche Klärung warten.