Was hat Sie motiviert, sich für die Parkinson Stiftung zu engagieren?
Die Parkinson-Forschung hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Wir stehen heute an der Schwelle zu neuen Behandlungen, die erstmals den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen können und vielleicht eines Tages sogar „heilen“. Aber auch die symptomatische Behandlung mittels moderner Medikamente und technischer Verfahren, wie der tiefen Hirnstimulation, ist inzwischen so effektiv, dass man Menschen mit Parkinson mitunter für Jahrzehnte die Erkrankung nicht ansehen muss. Leider gibt es immer noch nicht ausreichend ärztliche Spezialisten, die auf aktuellstem Wissensstand sind und es flächendeckend in der Betreuung von Menschen mit Parkinson umsetzen können. Ich halte es deswegen für wichtig, dass die Betroffenen und Angehörigen selbst zu Spezialisten für Ihre Erkrankung werden und wichtige Entscheidungen in der Behandlung partnerschaftlich mit dem Arzt besprechen können. Diese Schulung, Aufklärung und Beratung ist tagtäglicher Bestandteil meiner klinischen Arbeit und macht mir viel Freude, weil ich die positiven Effekte in der längerfristigen Betreuung von Menschen mit Parkinson miterleben kann. Durch mein Engagement für die Parkinson Stiftung möchte ich meine ärztliche Erfahrung einer größeren Zahl von Betroffenen zukommen lassen, als es mir in meiner klinischen Tätigkeit möglich ist.
Warum halten Sie die Parkinson Stiftung für wichtig?
Wir haben in Deutschland mit der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen eine sehr erfolgreiche Fachgesellschaft, die Parkinson-Forscher und -ärzte miteinander vernetzt. Es gibt mehrere Patientenselbsthilfeorganisationen, in denen sich Betroffene untereinander vernetzen und unterstützen. Bislang gab es aber keine direkte Verbindung zwischen Parkinson-Forschenden und Betroffenen. Aus diesem Grunde haben wir die Parkinson-Stiftung gegründet. Sie soll Betroffenen und Interessierten einen direkten Zugang zu aktuellen und geprüften Informationen über die Erkrankung und Ihre Behandlung bieten, sie soll zur Mitarbeit in der Forschung motivieren und natürlich auch Geld für wichtige Forschungsprojekte sammeln, um die Diagnose und Behandlung der Parkinson-Krankheit zu verbessern. Gemeinsam können es Forscher und Betroffene in viel kürzerer Zeit schaffen, die Lebensbedingungen von Menschen mit Parkinson zu verbessern. Das ist unser erklärtes Ziel. Die staatliche Förderung ist leider in der Summe nicht ausreichend und zu wenig fokussiert, um dieses gemeinsame Ziel in naher Zeit erreichen zu können, und wir sind deswegen auf privates Engagement angewiesen. Stellen Sie sich vor: Wenn alle Deutschen nur einen Euro im Jahr für die Parkinson-Forschung spenden würden, dann könnten wir insgesamt 85 Millionen Euro gezielt in die Erforschung der Ursachen und mögliche Therapien der Krankheit investieren. Es würde einen gigantischen Schub für die Parkinson-Forschung in Deutschland bedeuten und noch mehr talentierte Nachwuchswissenschaftler zur Arbeit auf diesem Gebiet motivieren. Wir befinden uns in der medizinischen Wissenschaft untereinander in einem Konkurrenzkampf um die klügsten Köpfe. Die gehen in solche Themenbereiche, in denen die besten Fördermöglichkeiten existieren und dadurch die schnellsten Fortschritte zu erwarten sind. Die Parkinson Stiftung will diesen Wettbewerb zu Gunsten der Parkinson-Forschung „gewinnen“.
Was reizt Sie persönlich an der Erforschung der Parkinson-Krankheit?
Ich habe in den 1980er Jahren Medizin studiert und bin seit etwas mehr als 25 Jahren Neurologe. Damals galten Neurologen als Ärzte, die zwar akribisch auch seltenste Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems beschreiben und diagnostizieren konnten, leider aber nur in den seltensten Fällen wirklich erfolgreich behandeln konnten. Das hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten grundlegend verändert. Kein Gebiet der Medizin hat so rasche Fortschritte gemacht, wie die Erforschung von Gehirnerkrankungen. Ich selbst hatte das Glück in den USA während eines Forschungsaufenthaltes, der eigentlich einem anderen Zweck diente, rein zufällig auch die positive Wirkung von stereotaktischen Gehirnoperationen bei Parkinson-Patienten zu erleben und habe dann nach der Rückkehr zwei Lehrer und Förderer gefunden, die mir geholfen haben die tiefe Hirnstimulation als eine wichtige Behandlungsmethode für Parkinson-Patienten in Deutschland zu etablieren und weiterzuentwickeln. Das waren Prof. Hans-Joachim Freund, der damalige Direktor der Neurologischen Universitätsklinik in Düsseldorf und der Neurochirurg, Prof. Volker Sturm, Leiter der Klinik für Stereotaxie und funktionelle Neurochirurgie an der Universität Köln, denen ich viel verdanke. Bis heute finde ich es faszinierend, wie durch eine simple elektrische Stimulation umschriebener Gehirnregionen bei einzelnen Patienten dramatische Verbesserungen der Mobilität erzielt werden können. Gleichzeitig haben wir durch die gewissenhafte Beobachtung dieser Patienten sehr viel über die Funktion und Fehlfunktion von Regelkreisen im Gehirn gelernt, die neben Bewegungen auch Emotionen, Antrieb oder andere komplexe Verhaltensweisen des Menschen steuern. Meine Forschung hat immer einen direkten Bezug zur Behandlung von Bewegungsstörungen gehabt, die für die betroffenen Kinder und Erwachsenen und natürlich auch Ihre Familien großes Leid mit sich bringen. Dieses Leid als Arzt zu sehen und dann das Glück einer erfolgreichen Behandlung mitzuerleben, war für mich immer die größte Motivation in der Forschung.
Was war ihr persönlich wichtigster Beitrag in der Erforschung der Erkrankung?
Das war sicher die klinische Etablierung und Verbesserung der tiefen Hirnstimulation in der Behandlung von Bewegungsstörungen. Bei der ersten gemeinsamen Implantation von Hirnelektroden und einem Hirnschrittmacher mit Prof. Sturm in Köln im Jahr 1995 war dieses Verfahren noch hoch experimentell, aber der Behandlungserfolg bei dem Patienten war dramatisch. Dennoch hatten wir in den ersten Jahren gegen erhebliche Widerstände bei Neurologen zu kämpfen, die das Verfahren für zu wenig ausgereift, risikobehaftet und randständig hielten. Wir haben in vielen Studien und Untersuchungen dazu beigetragen, den Nutzen und die Sicherheit dieser Methode wissenschaftlich zu belegen, genau zu definieren, wann im Verlauf der Erkrankung und für welche Symptome die tiefe Hirnstimulation besonders gut geeignet ist, und in den letzten Jahren mitgewirkt unter Einsatz moderner digitaler Methoden noch gezieltere und verträglichere Stimulationsverfahren zu entwickeln. Das ist natürlich nie der Erfolg eines Einzelnen, sondern eines oder mehrerer Teams, die ihre Erkenntnisse austauschen und sich gegenseitig voranbringen. Wir hatten in Deutschland das Glück, einen sehr engen Austausch mit verschiedenen Arbeitsgruppen zu haben, der dann auch in vielen freundschaftlichen Kontakten gemündet hat. Das gemeinsame wissenschaftliche Ziel stand im Vordergrund und nicht der Konkurrenzkampf. Um die kooperativen Strukturen und die dadurch erfolgreichen multizentrischen klinischen Studien werden wir weltweit beneidet. Diesen Gemeinsinn zu pflegen und auch in die Parkinson Stiftung die Idee von Kooperation, Vernetzung und Teamgeist hereinzutragen, ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen, das sich nicht mit klassischen Erfolgskriterien messen lässt.
Was sollte sich zukünftig in der Behandlung der Parkinson-Krankheit ändern?
Natürlich hoffen wir alle auf Behandlungen, die den Verlauf der Erkrankung verlangsamen oder gar aufhalten. Aber schon jetzt ist mit den vorhandenen Möglichkeiten eine bessere Behandlung in vielen Fällen möglich. Ich sehe viele Menschen mit Parkinson, die aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen (die vielleicht niemals eingetreten wären) zögerlich und zu wenig durchgreifend behandelt werden. Es ist meine persönliche Erfahrung, dass es viel schwieriger ist, ein für längere Zeit unzureichend therapiertes Parkinson-Syndrom wieder „hinzubiegen“, als durch eine ständig angepasste Therapie einen guten Funktionszustand zu erhalten. Ziel der Behandlung sollte es aus meiner Sicht sein, die „Flitterwochen“ (englisch Honeymoon) der Parkinson-Therapie möglichst lange zu erhalten, indem man früh behandelt und bei Verschlechterungen auch maßgeschneidert eskaliert. Dabei kann dann durchaus auch die tiefe Hirnstimulation als nicht-medikamentöses Verfahren früher in Betracht kommen, wenn erste Wirkfluktuationen oder auch psychiatrische Komplikationen den medikamentösen Behandlungsspielraum zunehmend einengen. Die Behandlung muss sehr personalisiert und störungsspezifisch erfolgen, weil sich die Krankheitssymptome in Ihrer Auswirkung auf den Alltag und das Berufsleben von Patient zu Patient stark unterscheiden. Dazu ist es erforderlich, den Patienten regelmäßig zu sehen, das Störungsbild in seinen Auswirkungen auf die Motorik oder andere Funktionsbereiche zu erfassen und vorausschauend die Behandlung anzupassen.
Welchen Rat möchten Sie jungen Ärzten und Wissenschaftlern geben?
Ich mag den Leitspruch des Apple Gründers, Steve Jobs: „Stay hungry, stay foolish“ (Bleib hungrig, bleib tollkühn“). Neugierde und die Suche nach Verbesserung sollten der Antrieb für jede wissenschaftliche Karriere sein. Man muss für das, was man tut, „brennen“ und nicht nur „einen Job machen“. Die Forschung sollte man kreativ und sthenisch umsetzen, insbesondere wenn es Gegenwind gibt, das ein oder andere Experiment einmal misslingt oder man gar von Anderen entmutigt wird. Nicht selten höre ich von Studenten oder jüngeren Mitarbeitern, dass sie gar nicht wissen, was sie noch erforschen sollen, weil doch schon so viel über den menschlichen Körper bekannt sei und man kaum noch bewältigen könne, das Wissen auf dem aktuellsten Stand zu halten. Dahinter steckt der Gedanke, dass man nur lange genug fleißig lernen muss, um am Ende alles „richtig“ zu machen und dann ein guter Arzt zu sein. Ich denke, wir sollten viel mehr Mut haben zuzugeben, was wir nicht wissen oder verstehen. Viele der wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritte sind dem „glücklichen Zufall“ von Einzelfallbeobachtungen entsprungen. Das setzt voraus, dass man offen für die unerwarteten Ergebnisse ist und gerade diesen sorgsam nachgeht, denn wirklich bahnbrechende Forschung ist niemals bestätigend. Als klinisch tätiger Arzt sieht man tagtäglich Fälle, die anders verlaufen als es das Lehrbuch vermuten lässt und daraus kann man lernen und neue wissenschaftliche Fragestellungen entwickeln. Als guter Forscher braucht man neben einer guten Wissensbasis dann Risikobereitschaft und das Selbstvertrauen, auch einmal für eine gewisse Zeit ohne Rücksicht auf die eigene Karriere gegen den Strom zu schwimmen. Eine gewisse Portion „Verrücktheit“ (foolishness) kann da nicht schaden.