Herr Karenfort, Sie engagieren sich, zusammen mit der Parkinson Stiftung, im Kampf gegen die Parkinson-Krankheit. Außerdem haben Sie selbst eine Stiftung gegründet. Welche Hoffnung verbinden Sie mit Ihrem Engagement? Was bewegt Sie aktuell?
Jörg Karenfort: Aus der Forschung zur Parkinson-Krankheit kommen immer mehr positive Nachrichten, die mir Mut machen, dass wir einen großen Schritt nach vorne machen können. Das betrifft sowohl die Grundlagenforschung, als auch die anwendungsbezogene Forschung zu Medikamenten oder einfacheren Testverfahren. Auch die Perspektiven der mRNA-Technologie sind vielversprechend. Generell ist positiv, dass einige große Pharmaunternehmen wieder zurück sind in der Parkinson-Forschung. Doch es braucht eben noch mehr Engagement aus der Gesellschaft: Gerade Stiftungen können auf diesem Gebiet viel leisten, in dem sie die Forschung unterstützen und das Thema in die Öffentlichkeit bringen.
Herr Greve, wie schätzen Sie den aktuellen Forschungsstand ein? Worauf legen Sie Ihren Fokus in der Arbeit zum Thema Parkinson?
Jens Gunter Greve: Leider ist die Krankheit mit ihren unterschiedlichen Symptombildern so komplex, dass nicht ein einzelnes, neues Therapeutikum oder eine neue Behandlungsmethode alles verändern wird. Ich erhoffe mir zum Beispiel von der Systemmedizin größere Fortschritte. Mit diesem Ansatz werden chronische Krankheiten, zu denen auch Parkinson zählt, anders als in der traditionellen Lehre erforscht. Klassisch werden Krankheiten immer noch „nach Organen unterteilt“ erforscht. Die Systemmedizin sieht den Menschen ganzheitlich und ist stark von den Patientendaten bestimmt.
JK: Wenn es gelingt, die neueste Forschung mit der Systemmedizin zu verbinden, könnte wirklich ein großer Fortschritt erzielt werden. Das ist unser Thema und hierzu unterstützen wir auch mit unserer Arbeit die Parkinson Stiftung.
JGG: Auch den Patienten kommt hier eine große Bedeutung zu, die oft übersehen wird. Für mich persönlich war nach meiner eigenen Parkinson-Diagnose schnell klar, dass die Informationen zur Erkrankung für die Behandlung und die weitere Erforschung nur von uns Patienten kommen können und auch kommen müssen. Die Erfahrungen der Patienten, aber auch der Angehörigen, die vieles noch genauer beobachten können, müssen stärker verzahnt werden, um sie als breite Datenbasis für die Forschung nutzen zu können.
Wie meinen Sie das genau?
JGG: Zur Erklärung zitiere ich aus einem Interview mit einem ehemaligen CEO eines amerikanischen Pharmaunternehmens, der selbst an Parkinson erkrankt ist, nachdem er 20 Jahre zu dem Thema geforscht hat. Er meinte, im Grunde hätte er vor seiner eigenen Erkrankung nichts über die Krankheit gewusst, so unterschiedlich und mit so großen Symptomvarianten kann Parkinson auftreten. Die Erfahrungen unterschiedlichster Patienten auszuwerten kann für die Forschung nur sinnvoll sein. Denken Sie an das Zitat des Historikers Yuval Herari, wonach sich der Homo Sapiens auf der Erde nicht durchgesetzt hat, weil er intelligenter war als die anderen Urmenschen, sondern weil er es gelernt hatte, mit anderen in Gruppen zusammenzuarbeiten. Übertragen auf unser Thema heißt das, die einzelnen Forschungsgruppen müssten viel enger zusammenarbeiten, ihre Daten und Befunde stärker untereinander teilen. Dazu muss man Anreize schaffen und auch den Geist der Zusammenarbeit wecken. Deshalb kooperieren wir als Stiftung auch gerne mit der Parkinson Stiftung, weil wir doch die gleichen Ziele erreichen wollen.
Springen wir zeitlich zurück: Wie haben Sie auf Ihre Parkinson-Diagnose reagiert? Und wann kam es dann zu Ihrem Engagement?
JGG: Die ersten beiden Jahre waren schlimm. Ich habe mich fast vollständig zurückgezogen und mich dem Studium der Krankheit gewidmet. Um den Schock der Diagnose zu verarbeiten und auch der dadurch entstandenen seelischen Verletzung etwas entgegenzusetzen, wollte ich die Krankheit verstehen. Ganz rational. Ich habe alle Studien und Bücher gelesen, die ich finden konnte. Nach diesen zwei Jahren wusste ich dann, dass ich hierzu eine Aufgabe für mich finde. Und dazu kamen mein preußisches Pflichtgefühl, kombiniert mit meinem Gemeinsinn, jetzt aktiv zu werden. Je länger die Krankheit allerdings andauert, desto schwieriger wird es, immer wieder die Kraft und die Zeit aufzubringen.
… das ist sicher nicht jedem Patienten gegeben, sich zusätzlich zur Belastung mit der Krankheit auch noch für andere einzusetzen.
JGG: Ich kann gut verstehen, wenn andere für sich entscheiden, dass die eigene Behandlung im Vordergrund steht. Dann stören zusätzliche Belastungen oder konfliktbeladene Themen. Gerade wenn man mal gute Phasen hat, darf man sich auch ablenken. Nichtsdestotrotz wäre es toll, wenn noch mehr Betroffene sich engagieren würden.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, Herr Karenfort? Was hat Sie dazu gebracht, sich zum Thema Parkinson zu engagieren?
JK: Das war Jens Greve! Er hatte mich über mehrere Jahre hinweg immer wieder gebeten und dann letztendlich auch „verhaftet“. Als Anwalt habe ich dann auch schnell meine Rolle gefunden. Das freut mich vor allem auch deshalb, weil die Zeit direkt nachdem ich meine Parkinson-Diagnose erhalten hatte, auch nicht leicht war. Obwohl unser Thema so ernst ist, macht mir die Stiftungsarbeit großen Spaß. Ich habe tolle Leute kennengelernt und erlebe viel positives Feedback. Vor allem unsere Kampagne „Little Victories“ kommt sehr gut an.
Was verbirgt sich hinter der Kampagne?
JK: Bei den „Little Victories“ geht es buchstäblich um kleine Siege im Umgang mit der Krankheit. Daraus ergeben sich oft Tipps von Patienten für andere Betroffene, wie man im Alltag mit manchen Hürden besser zurechtkommt. Wir machen das als Social Media-Kampagne mit Bloggern und Podcastern. Das wird sicherlich für viel Aufmerksamkeit sorgen.
Um Aufmerksamkeit geht es auch Ende August. Dann veranstalten Sie mit Ihrer eigenen Stiftung, der YUVEDO Foundation, einen Leaders Workshop im Rahmen der Parkinson Roadmap Ihrer Stiftung. Was erwarten Sie sich von diesem Workshop?
JK: An diesem Workshop beteiligen sich 40 führende Expertinnen und Experten aus allen relevanten Bereichen der Parkinson-Forschung. Wir wollen zeigen, dass die Hoffnung auf Fortschritte in der Parkinson-Behandlung berechtigt ist. Und Menschen mit Hoffnung geht es meist besser als anderen, die keine guten Perspektiven sehen. Die Kraft des positiven Denkens lässt sich auch wissenschaftlich belegen. Mit unserem Workshop soll gerne dieser Hoffnungsfunke überspringen.
JGG: Hoffnung ist nichts Passives. Man muss daran glauben, dass man das eigene Schicksal selbst aktiv beeinflussen kann. Und daran muss man arbeiten. Auch ich wünsche mir, dass unser Workshop konkret Hoffnung vermitteln kann und als Keimzelle für die Zukunft fungiert. Zusätzlich bin ich sehr gespannt, auf die Reaktionen zu unserem Experten-Netzwerk. Bislang sind die medizinischen Disziplinen streng getrennt. Wir haben hier nun eben den Ansatz, viel stärker zusammenzuarbeiten. Wird das als großes Potenzial oder doch eher als Bedrohung für die klassische Medizin wahrgenommen? Das werden wir nach unserer Veranstaltung mehr wissen.