Herr Inthorn, wann ist Ihnen als Sportwissenschaftler das Thema Parkinson zum ersten Mal begegnet?
AI: Zunächst im Studium: Ich habe Sport mit dem Schwerpunkt Rehabilitation und Prävention an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Durch meine Vertiefung im Bereich Neurologie kam ich dann auch schnell mit Parkinson-Patienten in Kontakt. So konnte ich erste Erfahrungen sammeln, die mir dann in den vergangenen Jahren auch sehr geholfen habe, als Frank Elstner 2016 seine Diagnose erhalten hatte und er mich gefragt hatte, ihn zu unterstützen.
Herr Hohmann, war in Ihrer Ausbildung als Physiotherapeut die Parkinson-Krankheit ebenfalls ein Thema?
MH: Ja, mein erstes Praktikum habe ich in einer neurologischen Klinik absolviert. Dort habe ich auch Parkinson-Patienten betreut wie auch später in meiner beruflichen Praxis. In der Folge habe ich dann eine Weiterbildung im Bereich der neurophysiologischen Therapie angeschlossen. Ich erinnere mich noch gut, wie wenig Wissen über Parkinson anfangs in unserer Ausbildung vorhanden war. Erst im direkten Kontakt mit den Patienten haben wir immer mehr gelernt, was für die Betroffenen möglich ist und wie wichtig regelmäßige und gezielte Bewegung ist.
Heute ist Sport aus der Parkinson-Therapie nicht mehr wegzudenken. Welche Erfahrungen machen Sie, Herr Inthorn?
AI: Das Entscheidende ist, es ist nie zu spät für Parkinson-Patienten, um mit Sport zu beginnen. Jede Übung lässt sich an den persönlichen Leistungsstand anpassen. Natürlich ist es besser, je früher man beginnt. Aber Training und gezielte Bewegungen können in jeder Phase hilfreich sein und die persönliche Situation stabilisieren oder gar ein wenig auszubremsen. Schwerpunkt ist das Koordinationstraining, speziell mit Blick auf das Gleichgewicht als Sturzprophylaxe. Ausdauer- und Krafttraining sollte man ebenfalls nicht vernachlässigen. Ideal sind zum Beispiel Tischtennis oder Tanzen. Neuerdings wird auch das Boxen immer beliebter. Wichtig ist, dass sich die Patienten für eine Sportart entscheiden, die ihnen auch Spaß macht.
Wie lässt sich das Training idealerweise physiotherapeutisch begleiten, Herr Hohmann?
MH: Wir sind oft verantwortlich, dass das Training überhaupt absolviert werden kann. Viele fortgeschrittene Parkinson-Patienten leiden unter Rundrückenstellung, verkürzter Brustmuskulatur oder eingeschränkter Hüftstellung. Da sorgt die Physiotherapie durch gezieltes Stretching oder Mobilisationshilfe durchaus Abhilfe schaffen, damit dann das Sportprogramm besser absolviert werden kann. Entscheidend ist die Regelmäßigkeit: Einmal pro Woche zur Physio reicht meist nicht aus. Eigentlich müsste täglich eine Bewegungseinheit auf dem Programm stehen.
AI: Wichtig ist auch, die Motorik mit dem Kognitiven zu verbinden, also die Bewegung mit dem Kopf zusammenzuführen. Da ist das Boxen ein gutes Beispiel. Da lässt sich bei den Patienten sehr gut beobachten, welche Leistungen auch das Gehirn vollbringen muss.
Auf der Basis Ihrer Erfahrungen entwickeln sie modellhafte Sport- und Physioprogramme für Parkinson-Patienten, zum Beispiel für Frank Elstner, den Botschafter der Parkinson Stiftung. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
MH: Wir haben mit unseren Programmen das Rad bestimmt nicht neu erfunden. Aber wir haben die uns bekannten Mosaiksteine vielleicht so kombiniert und maßgeschneidert, dass diese Programme vielen Betroffenen helfen. Frank Elstner ist sicher ein sehr gutes Beispiel. Ich würde mir wünschen, dass unsere Ansätze als Vorlage breite Nachahmung findet und somit noch mehr Menschen davon profitieren können.
AI: Ich wünsche mir außerdem noch mehr Unterstützung für Menschen, die eine Parkinson-Diagnose erhalten haben: von den gut aufbereiteten, ersten medizinischen Informationen bis zum Überblick, wo welches Sportangebot zu finden ist und welches Potenzial beispielsweise auch Intensivtrainingsprogramme wie unseres bieten. Das würde für viele Betroffene lange Wege ersparen und einen schnelleren Therapiebeginn ermöglichen.